AviaCert News

Nachts gehen die Lichter aus

Nicht nur in der norddeutschen Tiefebene sieht man sie nachts am ganzen Horizont: Rote Lichter, die blinkend den Himmel beleuchten. Es sind die Windenergieanlagen, die mit ihren üblicherweise über 100m Bauhöhe Luftfahrthindernisse darstellen und als solche befeuert werden müssen. Aber müssen diese Befeuerungen immer aktiv sein? Reicht es nicht, wenn sie aktiv sind, wenn sich ein Flugzeug nähert? 
 

Dieser Gedanke wurde schon im Jahre 2018 im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgehalten und damit bundesweit das umgesetzt, was teilweise schon auf Länderebene gefordert wurde: Die Einführung von Systemen zur bedarfsgesteuerten Nachtkennzeichnung (BNK). 

Das Funktionsprinzip ist dabei recht einfach: Auf jede Windenergieanlage (WEA) wird ein virtueller Zylinder mit einem Radius von 4.000m und einer Höhe von 2.000 Fuß gestellt, der sogenannte Wirkraum. Das BNK-System überwacht diesen Wirkraum und sobald ein Einflug erkannt wird, wird die Nachtkennzeichnung aktiviert. Im Umkehrschluss bleibt die Befeuerung aus, wenn kein Flugzeug in der Nähe ist, so dass es weniger Störungen für Mensch und Natur gibt. 

Die auf dem Markt befindlichen BNK-Systeme basieren gemäß den Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen (AVV) auf Radar- oder Transpondertechnologie. Ein BNK-System kann erst eingesetzt werden, wenn es von einer Baumusterprüfstelle (BMPS) zertifiziert worden ist. Die AviaCert GmbH ist seit Juni 2020 als BMPS benannt und hat seitdem mehrere BNK-Systeme zertifiziert. 

Damit schlussendlich die blinkende Befeuerung auf einer WEA bedarfsgerecht deaktiviert werden kann, sind viele Schritte notwendig: 

Ein mögliches BNK-System muss ein Zertifizierungs- bzw. Baumusterverfahren durchlaufen. Im Rahmen dieses Verfahrens wird die technische Funktionsweise des Systems geprüft, die Einhaltung aller Vorgaben aus der AVV, Anhang 6, und abschließend in einer praktischen Prüfung durch Befahrung oder Befliegung der Nachweis geführt. Durch die BMPS müssen im Rahmen der Zertifizierung/Baumusterprüfung auch klare Vorgaben für die späteren Standortprüfungen festgehalten werden. 

Bei der dann irgendwann erfolgenden Aufrüstung der Windparks wird in einer sog. flugbetrieblichen Vorprüfung der Standort jeder einzelnen WEA auf Betroffenheiten durch zivile oder militärische Luftfahrtinteressen geprüft, die eine Einrüstung mit BNK-Systemen verhindern könnten. Hierbei sind insbesondere die Interessen der Luftverkehrsteilnehmer zu berücksichtigen, die nach Sichtflugregeln bei Nacht im Luftraum unterwegs sind. Neben der allgemeinen Luftfahrt ist dies vor allem auch der Bereich der Hubschrauber im Rettungsdienst. 

Im Rahmen der Standortprüfung wird die Funktionsweise des BNK-Systems vor Ort für jeden Standort geprüft. Ein wesentlicher Aspekt ist hier, dass die Bodenabdeckung der Erfassung gemäß AVV gewährleistet ist, so dass z.B. ein startender Rettungshubschrauber ebenfalls erfasst und die Befeuerung eingeschaltet wird. 

Neben den Windparks zu Land gibt es eine BNK-Pflicht auch für die Windparks vor den Küsten. In Anlehnung an die AVV müssen hier die Vorgaben des Standards Offshore-Luftfahrt (SOLF) beachtet werden. Dieser sieht u.a. vor, dass bei jeder Standortprüfung die BMPS mit involviert werden muss. 

Zur Änderung des EEG im Jahr 2018 war man noch sehr zuversichtlich, dass eine Einführung von BNK-Systemen bald gelänge: Die Frist zur Einrüstung endete 2020. Mit der letzten Änderung des EEG und der AVV im Dezember 2023 wurde das Fristende noch einmal verschoben: Es ist jetzt der 01.01.2025. Da es aber mittlerweile genug Systeme am Markt gibt und auch die BNK-Pflicht lange genug besteht, ist davon auszugehen, dass es keine weiteren Verschiebungen mehr geben wird. 

Ist ab dem 01.01.2025 der Nachthimmel über Deutschland nachts also wieder komplett dunkel? Nein, auch wenn bei vielen WEA die Befeuerung für große Zeiten der Nacht abgeschaltet werden kann, gibt es nach wie vor WEA, die dauerhaft befeuert bleiben. Ebenso wird vereinzelt die Befeuerung aktiviert, wenn es Fehler in der Signalübertragung oder andere Probleme gibt. Im Rahmen eines “Fail-Safe” Ansatzes wird hier bei allen Störungen die Befeuerung automatisch aktiviert. In Summe sollte sich aber die Lichtverschmutzung und damit auch die Beeinträchtigung von Mensch und Natur deutlich reduzieren. 

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